
Dämmerung. Zur Nacht. Ich fahre durch die Straßen, der Dunkelheit entgegen. Ich mag noch nicht nach Hause, fühle mich wohl, hier in meinem sicheren Raum, namens Ford Fiesta. Ich höre laut Musik, gebe Gas, sehe mir die Wolkenbänke an, die die ganze Welt in eine dunstige Hülle zu kleiden scheinen. Überall wildes Grau, aufgeballt, ungehemmt, die Erde von den Himmeln trennend. Noch eine Straße. Und noch eine. Ich mag noch nicht nach Hause, an den Fernseher, ins Bett, in den Schlaf.
Ich fahre in der Dämmerung, zur Nacht. Erkunde fremde Dörfer, neue Häuser. Ich fühle mich wohl in diesem selbst kreierten Raum. Immer dunkler wird es und ich biege noch mal ab. Eine weitere Kurve, ein weiterer Ort. Ich bin noch nie hier gewesen.
Schaue und summe und sehe. Es wird immer dunkler. Das dunkle Grau der Wolkenberge wird zu noch dunklerem Blau. Wie eine dicke Daunendecke legt sich die Finsternis über den Tag. Hüllt das Leben ein. Immer wieder.
Immer weiter geradeaus fahre ich. Hier mag ich noch nicht abbiegen. Und hier kann man nicht gut wenden. Ich fahre weiter. Höre Musik. Summe mit. Gebe mich dem Augenblick hin. Als suchte ich nach etwas, das ich mit nehmen könnte, mit in den Morgen.
Links Häuser. Rechts Häuser. Weiter.
Rechts Häuser. Links Wald. Weiter.
Rechts Felder. Links Wald. Weiter.
Ich fahre in der Dämmerung, zur Nacht. Halt! Was war das? Ich bleibe mitten auf dem Weg stehen. Meine Augen werden groß und ich sehe zum Himmel. Etwas Fliegendes hält meine Aufmerksamkeit gefangen. Es ist viel größer als jeder Vogel, den ich sonst in der Stadt oder auf den Landstraßen sehe. Und es ist weiß. Von unten schimmert es und breitet seine Schwingen in die Nachtluft aus. Es kommt von rechts, fliegt über mich hinweg und verschwindet im Wald. Ich stehe und staune.
Eine Eule! Aber eine weiße, so große? So nah an Menschen und Stadt??
Ich setze meinen Wagen wieder in Bewegung, freue mich über diese kurze Begegnung. Ich mag Eulen.
Ich denke noch über das weiße Federwesen im Dämmerlicht nach, als mir ein neues Staunen vor `s Auto läuft. Diesmal in zweifacher Ausführung. Zuerst denke ich, es sei ein Hase. Oder vielleicht zwei. Aber auch diesmal ist es viel zu groß! Ich folge der Bewegung mit dem Wagen, halte an, schräg auf dem Weg stehend, die Scheinwerfer ins Feld rechts von mir gerichtet, wohin die Wesen gelaufen waren. Es sind Rehe. Wunderschön anzusehen! Sie stehen dort im Grünzeug und schauen zu mir zurück. Ich drehe die Musik leiser, will sie nicht erschrecken. Einige Momente stehen sie still, nur ihre Ohren zucken aufmerksam. Wir schauen uns an, 3 Wesen aus 2 vollkommen verschiedenen Welten.
Dann laufen sie, über den Weg, direkt vor mir vorbei, springen zurück in das Wäldchen, das sich unweigerlich irgendwo links von mir befinden muss und in das schon die Eule verschwunden ist. Ich bleibe noch was stehen mit meinem Auto, staune noch eine Weile über diese Begegnungen. Ich lebe schon lange hier, aber weiße Eulen und Rehe, so nah am Menschen, an der Stadt, an der Straße…
Ich lege den 1. Gang ein, fahre langsam los. Immer noch mit großen Augen.
„Danke!“ flüstere ich in die Nacht.
Jetzt fahre ich nach Hause.
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