Hallo Welt!
Der Umgang mit Alltäglichem wird doch allzu oft durch eine gewollte Dysfunktion der normalen Handhabung erstaunlich erschwert.
Will sagen: Ich habe einen Kater.
Ich habe gestern versucht, meine Grenzen, was den Konsum von Weißweinschorle betrifft, auf ihre Dehnbarkeit hin zu überprüfen. Dabei habe ich festgestellt, dass meine körperliche Entwicklung sich doch zugunsten der Ruhephasen entschieden hat.
Meint: Früher konnte ich mehr saufen.
Dieses an mir selbst durchgeführte Experiment zur Erforschung der allgemeinen Aktivität meiner Leberwerte hat mich zu einem erstaunlichen Ergebnis geführt: Ich habe auch gar keinen Bock mehr, regelmäßig viel zu trinken.
Aber mal im Ernst: Ich war gestern auf einem Polterabend. Es war ein schöner Abend mit vielen netten Menschen, lauter Musik, gratis Getränken und Buffet. Viel shake Hands, small talk, gesehen werden. Eigentlich ein normaler Feier-Abend.
Und ich kam irgendwie nicht rein. Früher war ich auf Partys zuhause, ein Wochenende ohne Ausgang empfand ich als verschwendete Zeit und meine Feierbekanntschaften gaben sich die Klinke in die Hand. Meine Leberwerte waren (bestimmt) sehr interessant und mein Zigarettenkonsum enorm.
Auch gestern hatte ich Spaß, aber eher in Maßen. Das soll nicht heißen, dass die Fete nicht nett gewesen wäre oder es nicht genug Möglichkeiten gegeben hätte, sich zu amüsieren. Nein, es war eher so, dass ich mir selber nicht gefallen habe. Ich war nicht so sehr in Feierlaune, dass ich mich hätte in diesen Trubel werfen können. Und selbst wenn, mir war die Oberflächlichkeit des Ganzen sehr bewusst. Das hat mich natürlich nicht davon abgehalten, mich gut zu unterhalten, zu tanzen, zu trinken und den Abend zu genießen.
Aber heute hatte ich Kopfweh, war müde, zerschlagen, habe eeeeeeeeeeeeeeeeeewig geschlafen und den ganzen Tag nichts gemacht. Mein Körper ist mit der Entgiftung beschäftigt und ich frage mich, was ich wirklich will.
Wenn ich unterwegs bin, trinke, Spaß habe etc. vergesse ich, zu atmen. Ich vergesse, den Menschen in die Augen zu sehen. Ich vergesse, wer ich wirklich bin. Ich reduziere mich auf eine Ebene, die darauf aus ist, Energie zu sammeln und zu vergessen. Ob durch Alkohol oder Gespräche oder laute Musik. Kennt ihr das, wenn ihr aus einem Club oder von einer Fete kommt und die Stille ist so laut, dass sie in den Ohren dröhnt?
Ich bin grade in meinen wunderschönen Garten gegangen. Es ist still. Man hört nur das Rauschen des Windes in den Bäumen und ab und zu gibt ein Vogel seinen Senf dazu. Ich nehme einen tiefen Atemzug und rieche den Duft des frühen Sommers. Butterblumen haben sich in einer Ecke der Wiese ausgebreitet, Akeleien stehen überall. Der Mohn ist aufgegangen. Meine nackten Füße erspüren das weiche Gras.
Das tut mir gut. Da weiß ich, wer ich bin. Was ich bin. Ich fühle mich wohl. Gestern auf der Party, habe ich versucht, mich wohl zu fühlen. Und als das nicht gelingen wollte, wurde die Weißweinschorle meine beste Freundin. Sie hat mir geholfen.
Das finde ich nicht verwerflich. Es ist ganz gut, einfach mal zu feiern, sich der Musik hin zu geben, zu tanzen und die Großhirnrinde in Urlaub zu schicken. Und das wird auch mit Sicherheit nicht die letzte Fete gewesen sein, auf der ich mich betrunken habe, ooooooh nein, Mister!
Aber mittlerweile möchte ich mehr auf meine Bedürfnisse hören. Früher bin ich zu jeder Fete gegangen, aus Angst, etwas zu verpassen. Dieses Gefühl habe ich heute nicht mehr. Ich weiß, Ich KANN gar nichts verpassen. Denn ich bin, die ich bin, nicht wahr? Und das bedeutet, dass ich die Hauptdarstellerin meines eigenen Lebensfilms bin, mit mir als Regisseurin und Drehbuchautorin. Und demnach ist das Leben immer da, wo ich bin. Mittlerweile ist es mir unangenehm im Mittelpunkt zu stehen, früher war das mein Hauptanliegen. Ich finde beides in Ordnung, Eines ist nicht schlechter oder besser, als das Andere. Es ist nur so faszinierend, wie sich die Prioritäten verschieben.
Früher wollte ich so viel Zeit wie möglich mit anderen verbringen. Ich wollte Action, Party, Drama, Spaß haben. Ich wollte, dass etwas passiert. Und ich wollte alle Menschen, denen ich begegnete, meine Freunde nennen. Ich wollte Meisterin, im Leben von Anderen sein.
Heute möchte ich Zeit mit mir selbst verbringen. Ich möchte Ruhe haben und sie genießen. Ich möchte lesen und nachdenken und schreiben. Ich möchte mich mit Menschen treffen, denen was an mir liegt und an denen mir etwas liegt. Ich möchte die Meisterin meines Lebens sein.
Beides hat seinen Wert, seinen Platz, seinen Funfactor. Beides dient mir gleichermaßen. Es ist nur so, dass ich mich jetzt lieber nach innen wende, als - wie früher - nach außen. Ich habe für mich erkannt, dass das Außen zwar ein klasse Spielplatz sein kann, es aber im Endeffekt auch nur eine Reflektion meines Inneren ist. Also warum nicht gleich an die Quelle gehen?
Ich plädiere für nichts von beidem. Jeder muss herausfinden, was ihm gerade am besten dient. Mal braucht es einen Saufabend mit Kumpeln, mal mit Wasser und stille. Die Veränderung ist doch das einzig Konstante im Leben, nicht wahr? Also warum immer am selben fest halten wollen?
Lichtarbeiter und solche, die leuchten, braucht es nicht nur im Ashram und in Meditationsgruppen, soviel wissen wir bereits. Menschen, die ihr Licht leuchten lassen, weil sie wissen, worum es geht, weil sie wissen, wer sie sind, sind auch auf Feten und in Clubs gern gesehen. Doch um dort ein Standart sein zu können, brauchen sie die Ruhe und die Pause, um sich regenerieren zu können.
Ich regeneriere mich heute mal. Damit ich auch für die nächste Weißweinschorle wieder fit bin. Oder damit ich die vielen Menschen genießen kann, ohne die Schorle als Unterstützung zu brauchen. Oder einfach, weil mein Hintern so gut zu meiner Couch passt.
Euch allen, egal ob mit Kater oder ohne, wünsche ich noch einen schönen Restsonntag und einen guten Start in die Woche.
Auch so ein Punkt: Woran merkt man, dass man erwachsen wird? Wenn man nur noch Freitags aus geht, weil man 2 Tage zum ausruhen braucht. ;-) Na, da hab ich ja nochmal Glück gehabt, was?
Fazit: Wichtig ist nur, auf seine innere Stimme zu hören, die wird einem schon sagen, ob man es gerade eher bunt und laut oder doch eher besinnlich und ruhig braucht.
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