
Seit Wochen ist es heiß und trocken und zertrocknetes Gras. Alles schwitzt, alles sitzt und will liegen. Die Sonne brennt Löcher in die Luft, bringt Augen zum flimmern und Gemüter zum kochen. Doch während ich hier sitze, bei himmelweit geöffneten Fenstern, im Morgenlicht des Wochenendlebens, regnet es leise hinter mir. Es prasselt und rasselt still auf den gelben Was-mal-ein-Rasen-war. Ein wunderschönes Geräusch. Die Pflanzen atmen auf, die Menschen ein. Die Hitze wird aus der Luft gewaschen und schwimmt davon. Irgendwo in der Nachbarschaft weint ein Baby.
Samstag. Ich hätte gerne mehr davon. Mehr Erfrischung, mehr Stille, mehr Samstage. Wer nicht? Der Kaffee schmeckt gut, die freie Zeit ebenso. Wäre es nicht wundervoll zu jeder Zeit tun zu können, was man liebt. Nichts mehr müssen müssen?
Gestern las ich mal wieder im Tolle. Obwohl schon oft gelesen, lerne ich immer wieder neu. Er schreibt, der Sinn des Lebens besteht in dem, was man augenblicklich tut. Man ist ganz präsent im Augenblick, widmet sich voll dem, was man tut, auch wenn man meint, es sei vielleicht eine unsinnige Arbeit wie Abwasch, auf dem Klo sitzen, Büroarbeit, Partyvorbereitung.
Doch wenn man das tut, wenn man ganz da ist, dann entsteht Tiefe, Authentizität, Aufmerksamkeit der Person oder Tat gegenüber. Wenn du gehst, gehst du. Wenn du den Kühlschrank öffnest, öffnest du den Kühlschrank. Nicht, um an die Milchschnitte zu kommen, sondern, um den Kühlschrank zu öffnen. Und all das, wird zum augenblicklichen Sinn des Lebens. Wahrnehmung, Jetzt-Geschehen.
Tolle schreibt: „Wenn du das, was du gerade tust, oder wo du gerade bist, als Hauptsinn deines Lebens ansiehst, hebst du die Zeit auf. Das verleiht dir enorme Kraft. (...)Was du auch tust, machst du außerordentlich gut, weil das Tun selbst im Mittelpunkt deiner Aufmerksamkeit steht. Dann wird dein Tun zu einem Kanal, durch den Bewusstheit in diese Welt strömt.“ (Eckhart Tolle, Eine neue Erde)
Ich finde den Gedanken angenehm, dass das, was ich gerade tue, das ist, auf das es ankommt. Es hilft mir, mich im Jetzt zu verankern. Es hilft mir, nervige Gedanken zu umgehen, indem ich mich auf das konzentriere, was ich tue. Sitzensitzen, schreibenschreiben.
Vor einiger Zeit habe ich ein Bild erworben, das mir sehr zusagte. Es ist ein Druck, weißer Hintergrund, schwarze Schrift. Simpel, auf den Punkt, ohne Ablenkung. Dort steht „Du bist genug.“
Wäre das nicht schön? Wenn du genug wärst? Wenn dein momentaner Augenblick genug wäre? Wenn der momentane Sinn deines Lebens einzig ist, hier zu sitzen und dies zu lesen? Und meiner eben, hier zu sitzen und dies zu schreiben?
Ich versuche weiterhin, ganz hier zu sein. Mich den Menschen und Handlungen ganz zu widmen, die ich vor mir habe. Das anzunehmen, was ich vor der Nase habe. Ist nicht immer leicht.
Der Regen hat aufgehört. Irgendwo in der Ferne gewittert es. Es riecht nach warmer Erde und Feuchtigkeit in der Luft. Eine Krähe ruft.
Hier zu sitzen und das wahr zu nehmen ist mein Sinn.
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