
Es ist Urlaub, erster Teil, Sternzeit 18102011, gegen Mittag.
Ich möchte von der Frankfurter Buchmesse berichten, auf der ich mich am Sonntag mit meinem guten Freund Olaf rum getrieben habe. Wir hatten ein tolles Angebot ergattert, Fischers Buchhandlung aus Ückerath bot ein Gesamtpaket an: 25 €, Busfahrt hin und zurück, natürlich den Eintritt und einige Gutscheine inklusive, die man an den verschiedenen Ständen einlösen konnte.
Wir begannen diesen Ausflug morgens um 7 Uhr mit dem Schmieren von Stremellachsbrötchen (in dieser eiskalten Welt haben wir normalen Bürger nur schwer die Möglichkeit, uns gegen den Kapitalismus bis zum Monatsende durchzusetzen! – na ja, wir waren pleite…), gingen dazu über im Bus Piccolöschen zu trinken (dafür reicht das Geld dann doch) und kamen so gut gelaunt nach 3 Stunden Busfahrt in Frankfurt auf dem Messegelände an. Ich bin noch nie da gewesen und deshalb schon mal von der Architektur des Geländes sehr beeindruckt. Ganz schön abgefahren.
Wir begannen unsere Odyssee bei Literatur und Sachbüchern, was einen ersten Eindruck der Messe vermittelte: Riesige Hallen, Stand an Stand, belagert von unendlichen Mengen an Lesewütigen mit Unterforderung, die sich mit Ellenbogen durch die dichten Weiten der Massen schoben, die Blicke unstet mal hier, mal dorthin geworfen, ohne die anderen Büchernarren wahr zu nehmen, die sich ebenfalls auf ihrem Weg zu mehr Bildung befanden. Ich war doch etwas erschlagen von der Fülle des Angebots und den immer voller werdenden Gängen. Ich dachte, unsere Kultur sei auf dem absteigenden Ast (nah….nicht wirklich), doch hier zeigte sich deutlich, dass es noch genug Homo sapiens gibt, die sich mit der schriftlichen Form der Geschichtenerzählung und Informationsweitergabe zufrieden geben (dass es auch einen Medien-und Entertainmentbereich gab, haben wir einfach ignoriert).
Trotzdem brachen wir bald zu neuen Ufern auf, die sich in Form von Halle 3 manifestierten: Dem Bereich, in dem sich (ich sage es einfach mal plump) die Mainstreamverlage tummelten. Hallo Piper, Bastei Lübbe, ars edition, Beltz und Gelberg und (persönlicher Favorit) Koha!!! Wir haben brav und motiviert wie Grundschulkinder bei einer Schnitzeljagd unsere Gutscheine eingelöst und Wandkalender, Bücher, Magnete und Engelkarten abgestaubt. Bis meine Tüte so schwer wurde, dass ich auch endlich begriff, warum hier viele mit diesen Oma-Rollkoffern rum laufen. Notiz an mich selbst: Rollkoffer für die nächste Messe organisieren!
In Halle 3 gab es auch das Comic-Zentrum, was überraschend viele junge Leute dazu angeregt hatte, als die abgefahrensten Manga- und Märchenfiguren verkleidet aufzulaufen. Habt ihr schon mal Sailormoon in ECHT gesehen??? Also, ehrlich, diese Mangafiguren muten im Fernsehen schon wirklich außergewöhnlich an, aber wenn jemand vor dir steht, mit türkisen Haaren bis zu den Knien, geschminkt wie ein Clown auf LSD und bekleidet mit einem Rock, der so breit ist, wie meine Gürtel, tja, da fällt auch dir nichts mehr ein.
Auf jeden Fall ein äußerst unterhaltsames Unterfangen, dieser Mangafanauflauf. Besonders begeistert war ich allerdings von der Tatsache, dass ich 2 Belles nebst passendem Biest gesehen habe. Gut, was Disneyfiguren auf einer Buchmesse zu suchen haben, ist mir nach wie vor schleierhaft, aber zumindest konnte ich mit diesen Charakteren auch was anfangen. Und dieses Kleid!!! Wo bekommt man denn das gelbe Kleid von Belle her, dass sie in der Tanzszene trug…???? Und wie teuer ist sowas????
*räusper*
Zurück zur Buchmesse. Im Comic-Zentrum gab es für mich noch eine weitere Überraschung: Joscha Sauer gab eine Autogrammstunde!!!
In die Stille hinein möchte ich meinen unwissenden Lesern gerne erklären, dass Joscha Sauer der Zeichner und Erfinder von „Nicht lustig“ ist. Höre ich ein Wiedererkennungs-ah?
Aaaaaahhhh!
Danke. Ich liebe „nicht lustig“ und kann nur jedem empfehlen, sich diese Comics nicht entgehen zu lassen (www.nichtlustig.de)! Habe auch direkt mal ein Foto von mir schießen lassen, auf dem ich als selbstmordgefährdeter Lemming zu sehen bin. Himmlisch!
Ein Autogramm habe ich mir nicht geholt, was aber daran liegt, dass ich mir irgendwie blöde dabei vorkomme, mir von einem wildfremden Menschen eine unleserliche Unterschrift auf ein Stück Papier kritzeln zu lassen. Wozu??? Ich weiß doch, dass ich ihn gesehen habe! So lief ich an Hella von Sinnen einfach vorbei, ignorierte Simon Gosejohann (finde ich eh nicht lustig) und nahm nur aus den Augenwinkel Dieter Moor war, der uns im ARD-Zelt vom Klo entgegen kam.
Zugegeben, Ausnahmen bestätigen die Regel, aber Wolfgang Hohlbein war leider schon am Samstag da.
Nachdem wir uns hier mit vollen Tüten, schmerzenden Füssen und wund geguckten Augen wieder frei gekämpft hatten, machten wir eine Pause auf dem Balkon der Halle 3, schauten im Lesezelt vorbei, begafften die Manga-Fans, die in wirklich nicht unerheblichem Ausmaß erschienen und die Oktobersonne genossen (Wo kriegt man nur diese Kostüme her????) und tranken Bier, dass uns vom dazugestossenen Bruder meines lieben Begleiters gespendet wurde. Danke, Ingo (ich weiß, ich hab nur genippt, war aber trotzdem lieb von dir).
Puh, der Tag war fast rum und wir schon ziemlich zerschlagen, da meinte Olaf, wir könnten ja noch schnell ins Forum rüber gehen, da sei die Islandausstellung, denn Island war dieses Jahr das Partnerland der Messe. Gesagt getan. Und ich bin wirklich sehr froh, dass wir das noch gemacht haben, denn so hatten wir unbewusst den Höhepunkt des Tages an dessen Ende gesetzt:
Im Forum war eine Videoinstallation aufgebaut, die auf riesigen Leinwänden Frauen, Männer und Kinder zeigte, die vor verschiedenen Hintergründen unterschiedliche Bücher lasen. Es fühlte sich in etwa so an, als sei man selbst geschrumpft worden und im Haushalt einer Riesenfamilie mit hohem Bildungsanspruch ausgesetzt worden. Alle paar Leinwände wurde dieser Eindruck durch Naturaufnahmen Islands unterbrochen. Zwischen den scheinbar durcheinander angeordneten Leinwänden standen gemütliche Sessel neben alten Holztischen, leuchteten Stehlampen über aufgeschlagenen Büchern, saßen Besucher aller Altersgruppen, um sich auszuruhen, zu lesen, zu quatschen. Die Stimmung schien einer Mischung aus Bibliotheksatmosphäre und Studiensaal gleichzukommen, garniert mit gedämpfter Unterhaltungslautstärke und der fühlbaren Erschöpfung nach einem langen Tag. Ich wäre zu gerne dort eingezogen!!!
Doch noch mehr beeindruckt hat mich der „Islandraum“, von mir so tituliert zwecks fehlender Definition: Es handelte sich hierbei um einen Raum, dessen vier Wände und Decke ebenfalls aus Leinwänden bestanden. Zwei Eingänge ließen die Besucher hinein, um sich auf dem Boden sitzend die unbeschreibliche Natur Islands nahe bringen zu lassen. Und mit „nahe bringen“ meine ich darin sein, erspüren, staunen. Die Wände wie auch die Decke wurden mit Landschaftsaufnahmen Islands bestrahlt, was dem sitzenden Besucher den 3dimensionalen Eindruck vermittelte, über die karge Hügellandschaft zu fliegen, mit den Fischen im Ozean zu schwimmen oder in einer mit Moos bewachsenen Grotte zu sitzen. Ich sah, wie der Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, bestaunte seine 20 km hohe und wunderschöne Aschewolke, spürte fast die Hitze der fließenden Lava, ging am Strand spazieren, stand mitten in einem Fahrradrennen - und das alles, ohne mich zu rühren. Untermalt wurde dieses Szenario von sphärischer isländischer Musik, die das Staunen sanft unterstrich.
Was ein Erlebnis! Ich hätte stundenlang dort sitzen können, die Nordlichter beobachten, atmen, die Sterne zählen, die Hügel wahrnehmen und der Messerealität entfliehen mögen, doch wir mussten los, um unseren Bus zurück nach Hause zu erwischen. Diese Installation war wirklich wunderschön und ich dachte unvermittelt, was für ein Erlebnis so etwas sein müsste für Menschen, die ans Bett gefesselt sind, nicht mehr reisefähig und doch soooo gerne mal dieses oder jenes Land sehen würden. Ich bin weder ans Bett gefesselt noch bin ich nicht reisefähig und mich hat diese Installation schon sehr berührt!
Als Olaf und ich um 18Uhr an unserem Bus ankamen, waren wir voll mit Eindrücken und Ideen und bepackt mit Lesestoff, Zeitschriften und Verlagsadressen, die nach Neuveröffentlichungen suchen. Jetzt müssen wir „nur noch“ unsere Erstlingswerke zu Papier bringen und sie einreichen, dann steht einer steilen Karriere nichts mehr im Wege!!!
Vielen Dank, liebe Frankfurter Buchmesse für dieses Erlebnis!
Und vielen Dank lieber Olaf für das Organisieren dieses Ausflugs!!
Ich setz` mich dann mal an meinen Entwurf…
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